Man betritt das dem Auge gefällige Gebäude des Bad Stebener Grafikmuseums, was wohl erwartend? Man, Goethen zu zitieren, „erwartet sich ein Fest“, das Fest einer zutunlichen Bilderwelt. Kunst will ja doch eines sein: anmutig. Professor Rolf Kuhrt aber mutet uns Kunst zu:
Wir haben auf Schmerzliches gefasst zu sein angesichts von Skulpturen, aus widerstrebendem Holz herausgeschlagen, von Holzschnitten, mit dem Messer ins Material hineingewühlt, oder von Zeichnungen, mit düsterer Kohle aufgetragen. Durchaus will der Mann, dass es uns kalt den Rücken hinunterrieselt.
Bestimmt ihn Persönliches? Gewiss. Gewisser ist, dass er, der unikale Warner, die Welt in einem Zustand sieht, von dem man Zustände kriegen kann. Wir Menschheitsgemeinde – wie wir uns doch an der Umwelt vergehen, wie wir die Drittwelt ruinieren, wie wir unsere Nachwelt infrage stellen.
Was Wunder, dass Kuhrt sein ganzes Augenmerk auf die Figur des Menschen richtet: Ihm gewinnt er jene Würde ab, die sich mannigfach bedroht weiß. Ja, vom Gegenständlichen lässt der Meister – zunächst lernend und hernach lehrend an der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchkunst, jetzt in bedeutender Nähe zu Barlachs Werkhaus bei Güstrow in Mecklenburg siedelnd – keineswegs.
Wie gut, den mittlerweile Achtzigjährigen seine Kelter treten zu sehen, ohne dass er offenbar an kreativem Drang einbüßte.
Peter Gosse